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Klassenkampf im Führerhäuschen

Als die Westberliner BVG 1984 von der DDR endlich das gesamte Schienennetz auf der westlichen Seite übernahm, gab die Deutsche Reichsbahn natürlich nur die ältesten ihrer rot-gelben S-Bahn-Wagen her. Das war der letzte einer Reihe von Kinnhaken, die die Verantwortlichen für Bus und Bahn in die jeweils andere Richtung austeilten. Eine kuriose Attacke ritt die DDR mithilfe der Modernen Frau.
Was im Westen in den 50iger Jahren undenkbar war, wurde im Osten bereits ab 1950 gängige Praxis – Frauen als Straßenbahnführerinnen. Und so setzte man die Ostfrauen gern in jene Straßenbahnen, die die Sektorengrenze überquerten, zwi­schen Mit­te und Tier­gar­ten, Trep­tow und Neu­kölln, Prenz­lau­er Berg und Wed­ding. Da beide Seiten zugesagt hatten, die verschiedenen Regularien gegenseitig anzuerkennen, empfand man das im Westen als Provokation und arrangierte sich auf eigene Art. Die Kolleginnen aus Ostberlin mussten das Führerhaus verlassen und wurden zurückgeschickt, worauf die DDR kurzerhand die Übergangsstellen durch die Deutsche Volkspolizei gleich ganz sperrte. Für die Passagiere eine Zumutung, denn sie hatten nun den Weg von der letzten Haltestelle im Ostteil zur ersten im Westen und umgekehrt zu Fuß zu bewältigen. Der Mauerbau brachte 1961 dann das entgültige Aus für die zonenübergreifende Straßenbahn.