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Klingendes Porzellan zum Gotteslob

Was hätte wohl der berühmte Porzellanmodellierer Kändler zum Glockenspiel der Meißner Frauenkirche gesagt? Versuchte er sich doch seit 1732 am Bau solcher Stücke, die leider an ihrer Unstimmbarkeit litten und deren erstes sich noch in der Dresdner Porzellansammlung findet. Erst mit der Tausendjahrfeier Meißens 1929 wurde das Problem befriedigend gelöst und seither hängen in einem gotischen Turmfenster hoch über dem Kopfsteinpflaster 37 Porzellanglocken, die der Stadt alle Viertelstunde die Uhrzeit herbeiklingeln. Doch nicht nur das. Alle drei Stunden ertönt einer von sechs Chorälen, und so steht der Meißner mit „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ auf und geht mit „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ zu Bett.

Die Stadtbewohner scheinen vom feinen Klang des Porzellans so eingenommen, dass sich auch an eine die Jehmlich-Orgel in der Frauenkirche ergänzende Porzellanorgel gewagt wird. Wie beim Glockenspiel gab es erste Versuche zur Herstellung von Porzellanpfeifen bereits im Barock, als der stets in Geldnöten steckende August II. von Böttger eine solche Orgel verlangt hatte. Erst dem Hobbyorganisten und ehemaligen künstlerischen Leiter der Manufaktur Ludwig Zepner gelang es zusammen mit dem Orgelbauer Horst Jehmlich, im Jahr 2000 diesen Traum zu verwirklichen.

Die meisten Porzellanglockenspiele gibt es in Sachsen, die Porzellanorgel wird vorerst weltweit einmalig sein. Und man sollte es nicht meinen, aber klingende Glocken und Pfeiffen lassen sich bis jetzt nur aus Meißner Kaolin und dem daraus gebrannten Porzellan herstellen. König August wäre es eine Freude gewesen.

 

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Wie ein Maurer-Club durch die Jahrhunderte wanderte

Winkelmaß und Zirkel kennen viele als Zeichen der Freimaurer, dabei waren sie schon zu Zeiten des gotischen Kathedralbaus Attribute der Steinmetze und Baumeister. Während viele Gewerke am Dom sich in Bauhütten sammelten, bildeten die Steinmetze Bruderschaften ungeachtet von Stand und Nationalität, in denen sie herumreisten, sich organisierten und ihr handwerkliches Wissen weitergaben.

Aus diesen Bruderschaften entstanden im England des 16. Jahrhunderts die ersten Freimaurerlogen, deren Organisation und Rituale auf den Ordnungen der Steinmetze fußten und die viele Symbole der meist leseunkundigen mittelalterlichen Handwerker übernahmen. Selbst der Begriff des Stuhlmeisters stammt von dort. Wie ein Steinmetz arbeitet der Freimaurer an sich selbst als dem rauen Stein, dessen unvollkommene Oberfläche behauen und geglättet werden muss, so dass er zu einem besseren Menschen und damit das Bauwerk der Welt harmonischer werde.

In Meißen sind Freimaurer seit 1768 nachgewiesen, die Loge „Zur Akazie“ gründete sich knapp hundert Jahre später und fand ihren Sitz in der historischen Jakobskapelle. Nach vielerlei Wirrungen und Verboten gibt es seit der Wende auch in der Domstadt wieder freimaurerisches Leben unter den Zeichen der alten Steinmetzbruderschaft.

 

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Die betrübte Sonne vom Theaterplatz

Ein bisher leider nicht saniertes Baudenkmal findet sich mit dem Gasthaus Zur Goldenen Sonne gleich neben dem Theater. Hier, wo sich zur Stadtgründung um 1200 noch der Elbhafen befand, stand später das Bischöfliche Brauhaus und noch später ein größerer Gebäudekomplex, von dem sich nur dieser 1561 errichtete Renaissancebau erhalten hat.

Berühmt im ganzen Umland wurde er, als die Besitzer in der Mitte des 19. Jahrhunderts den angrenzenden Gebäudeteil umbauten und Die Sonne zum ersten Meißner Gasthof mit Saalbetrieb machten. Hier lud man zum Tanztee, ging zum Billard oder besuchte die Asphalt(!)-Kegelbahn. Um die Jahrhundertwende schließlich, als es im kleinen Meißen mehr als 300 Kneipen gegeben haben soll, besaß Die Sonne das größte Balletablissement der Stadt, in dem ab 1918 auch Filme gezeigt wurden.

Nachdem es lange Zeit ausschließlich als Kino genutzt wurde, steht das Haus unter dem roten Walmdach seit 1991 leer. Im Inneren des Renaissanceteils sollen sich schön profilierte Holzbalkendecken erhalten haben, wie auch viele Details mit Wandschränken, Nischen und Konsolen. Die Haustafel mit der glänzenden goldenen Sonne schließt mit den Worten „DOMINUS PROTECTIO MEA“, der Herr ist mein Schutz. Ein Wunsch, dem der Betrachter sich anschließen möchte.

 

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In Arte Voluptas (In der Kunst liegt Lust) – Anno uhui 162

Ein Uhu ist das Wappentier des fröhlichen Vereins der Schlaraffen, der sich 1859, dem Jahr 0 schlaraffischer Zeitrechnung, in Prag als Gegenentwurf zu einem saturierten Künstlerverein gründete und bald über die Welt verbreitete. „Männer in gesicherter Position“ fanden sich zusammen, um in selbstironischer, intelligenter Manier alltägliche „Wichtigkeiten“ aufs Korn zu nehmen, aber auch das Interesse an den Künsten wachzuhalten.

Die Treffen finden immer noch in Form eines Ritterspiels statt, mit allerlei Regeln und Ritualen, die die Eitelkeiten der Gesellschaft spielerisch persiflieren. Vor jedem Neuling liegt der Weg vom Pilger zum Knappen, bei Bewährung folgt der Ritterschlag. Phantasievolle Helme, hölzerne Schwerter, ritterliche Rüstungen (aus Stoff) und Orden verleihen die nötige Würde. Die ausschließlich deutsch-schlaraffisch sprechenden Mitglieder sind in Rey(i)chen und Colonien organisiert, die Meißner Zelle wurde nach Verbot durch die Nazis und die DDR 2017 wieder ins Allschlaraffia aufgenommen.

Wer am Schaufenster von Brück und Sohn am Markt stehenbleibt, trifft zwar nicht mehr auf Postkarten und Adventskalender, dafür öffnet sich dem Passanten ein schlaraffischer Einblick. Und wer an der Ernsthaftigkeit der ganzen Sache zweifelt: selbst Gustav Mahler war seinerzeit begeisterter Schlaraffe.

 

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Auf dem Weg zur Albrechtsburg

Ein fein gearbeitetes Sandsteinportal aus der Zeit der Renaissance führt auf den Jahnaischen Hof, er liegt an der holprigen Zufahrt zur Albrechtsburg. Hinter den Mauern verbirgt sich nicht nur ein Haus mit Jahrhunderte alter Geschichte, im Sommer wird der Garten auch zum Konzertplatz und lädt zu Vernissagen zeitgenössischer Kunst in die kleine Galerie im Hause ein.
Eine Rarität des Gebäudes ist die Schwarze Küche mit ihren von Ruß schwarz gefärbten Wänden. Auch heute wird in ihr manchmal gekocht.
In Schwarz- oder Rauchküchen bereitete man die Speisen auf offenem Feuer zu. Man hängte die Kessel an einen Haken und konnte mit dem jeweiligen Abstand zur Flamme die Hitze regulieren. Ein gemauerter Funkenhut fing dabei die herumfliegenden Funken auf. Neben der Brandgefahr waren die Küchen auch deshalb nicht ganz ungefährlich, weil das beständige Einatmen rauchbelasteter Luft die Gesundheit der Bewohner schädigte. Dafür konservierte der Rauch das Gebälk, hielt Ungeziefer fern und konnte zum Räuchern benutzt werden.
Das Jahr 1735 revolutionierte die Kochkunst – der Architekt François de Cuvilliés der Ältere erfand für die Münchner Amalienburg den ersten geschlossenen Herd: Er versah den rundum gemauerten Feuerkasten mit einer durchbrochenen Eisenplatte. Durch die Löcher züngelten die Flammen und erhitzten so die Töpfe.

 

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»Ähnliches durch Ähnliches«

»Noch nie«, notierte im Jahre 1822 ein unbekannter Schreiber, habe ein »so wenig begründetes System solch reissende Fortschritte gemacht«. Sogar »in den gebildeteren Klassen« habe die neue Therapie »Eingang und Vertheidiger« gefunden.

Auch wenn sich bis heute die Geister über Wirk- und Unwirksamkeit seiner Lehre streiten, ist der Begründer der Homöopathie Samuel Hahnemann aus der Heilkunde nicht mehr wegzudenken.
1755 wurde er in Meißen geboren, studierte Medizin und Pharmazie in Leipzig und Wien, war mit einundzwanzig Ortswechseln in nur sechs Jahren ein wahrer Unruhegeist und mit führenden Geistesgrößen seiner Zeit bekannt. Er startete 1790 einen Selbstversuch mit Chinarinde als Arznei gegen Wechselfieber. Als er, obwohl gesund, darauf an Schüttelfrost und Fiebersymptomen litt, entwickelte er daraus das Ähnlichkeitsprinzip und heilte fortan im Gegensatz zu seinen schulmedizinischen, oft nicht zimperlichen Kollegen auf sanfte Weise.

Mit homöopathischen Tropfen, Pulvern und Streukügelchen behandelte er so bemerkenswerte Personen wie den ertaubten Beethoven, den großen Goethe oder den Geigenvirtuosen Paganini.
Aufgrund seiner Verdienste wurde er 1841 zum Ehrenbürger von Meißen ernannt.

 

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Von der Sturmleiter in die Große Hofstube

Es war im Jahr 929, als der Sachsenherzog und ostfränkische König Heinrich I. während seines Feldzuges gegen die Elbslawen den Berg über dem Fluß erstürmen ließ und dort sein ständiges Feldlager aufschlug. Nicht viel später befahl er eine hölzerne Wehranlage zu errichten, um die gewonnenen Gebiete zu schützen und eine Verteidigungsmöglichkeit gegen slawische Fürsten und die immer wieder einfallenden Ungarn zu haben.

Die Wehranlage wurde zur Burg Misnia erweitert, am Fuße des Burgbergs entwickelte sich das gleichnamige Dörfchen zu einem Marktflecken und schließlich wurde die gesamte neu geschaffene Grenzmark ebenso nach der Burg benannt wie das etwas später gegründete Erzbistum. Hier liegt die Wiege des heutigen Sachsens, das mit dem ursprünglichen (Nieder-)Sachsen König Heinrichs nicht viel mehr als den Namen gemein hat.

Die Skulptur König Heinrichs steht mit sechs anderen lebensgroßen Holfzfiguren wettinisch-sächsischer Herrscher in der Großen Hofstube der Albrechtsburg, wo sich gegen Ende des 15. Jahrhunderts die Hofgesellschaft aufhielt und zu tafeln pflegte. In dieser Tradition kann man sich heute unter seinen Augen an Konzerten, Banketten oder anderen Festlichkeiten verlustieren.

 

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Von weißer Erde zum weißen Gold

Als im Jahr 1710 die Manufaktur auf der Meißner Albrechtsburg gegründet wurde, begann der Siegeszug des ersten europäischen Porzellans, das dem begehrten chinesischen Luxusprodukt vergleichbar war.
Entstanden war es in Sachsen eher durch Zufall, nachdem der Alchemist Johann Friedrich Böttger dem finanziell stets klammen August dem Starken das versprochene Gold nicht herbeiexperimentieren konnte. Er entging dem angedrohten Todesurteil, als er mit Hilfe des Naturforschers und Gelehrten Ehrenfried Walther von Tschirnhaus die Rezeptur und Herstellung des ersten Hartporzellans außerhalb Ostasiens entwickelte. Mit diesem weißen Gold konnte der porzellanverrückte König später sowohl seine Schränke als auch die leere Staatskasse füllen.
Rohstoff für Porzellan ist Kaolin, eine weiße Tonerde. Die in Meißen verwendete, die von außergewöhnlicher Reinheit ist, wird von zwei Grubenarbeitern im kleinsten Bergwerk Deutschlands in Seilitz, unweit der Stadt, gefördert. Dabei geht der heute gebräuchliche Name auf das chinesische Gaoling zurück, wo es zuerst gefunden wurde. Bereits vor 1.500 Jahren beherrschten die Chinesen die Porzellanherstellung; Marco Polo war einer der ersten, der die damals unbezahlbaren Kostbarkeiten nach Europa brachte. Aber erst mit dem Meißner Porzellan begann hier sein wahrer Triumph.