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Hoch die Tassen!
Mit dem Abriss des Restaurants „Zum Weinberg“ wurden 1912 die letzten Weinstöcke am Weinbergsweg gerodet. Getrunken wurde natürlich weiterhin: Wein, Wermut, Bier und harte Sachen. Kohlefahrer, Künstler, Nachtwächter – zu Ostzeiten saßen sie in den Prenzlauer Berg-Kneipen meist unter einem Dach und tranken, was nicht niet- und nagelfest war: im Fengler, im Wiener Café, im „Mosa“ – dem Café Mosaik, im „Bohü“ – der Bornholmer Hütte.
Allabendlich öffnete auch die Schoppenstube, die „Schoppe“, ihre Tür zum Souterrain. Ein Türsteher kontrollierte die langen Schlangen am vorderen Eingang, während die Stammgäste durch die Hintertür hineindurften. Im schummrigen Licht ging es familiär zu und früh, wenn es hell wurde, trafen sich die letzten Gäste bei Konnopke zur Currywurst. Das Schwulenlokal in der Schönhauser Allee 44 an der Eberswalder Strasse hatte von 1923 an alle Systeme durchgestanden. Als die DDR die Friedrichstraße ab den 60ern chic zu machen begann, wichen die Gäste in den Prenzlauer Berg aus und die Schoppenstube wurde bald zum Zentrum der Schwulenszene der gesamten DDR. Ab 1968 war mit dem Streichen des Paragraphen 175 Homosexualität in der DDR straffrei.
Auch die Schoppenstube hat den Wandel nicht überlebt, doch in einigen Szenen des Films „Coming out“ ist sie bewahrt. Regisseur Heiner Carow, der auch den legendären Film von Paul und Paula drehte, gewann 1990 mit „Coming out“ einen Silbernen Bären.