24-heute

24

„Maria, breit den Mantel aus“

Blau ist der Mantel und weit. Er umhüllt nicht nur ihre Gestalt und schützt das Kind, sondern ist seit dem frühen Mittelalter, als die Christen begannen, sich in ihren Sorgen und Nöten der Mutter Gottes anzuvertrauen, eine Zuflucht für die ganze Gemeinde gewesen. Blau steht nicht nur für Reinheit, Wahrheit und Treue, sondern ist auch Symbol für Maria als Himmelskönigin. „Ave Maria, Stella maris“, gegrüßet seist du Maria, Meeresstern, so beginnt eine alte Hymne aus dem 9. Jahrhundert, die heute noch zum Stundengebet der katholischen Kirche zählt.

Rot ist oft ihr Kleid und versinnbildlicht Liebe und Wärme, aber auch das Blut, das auf den Opfertod ihres Sohnes hinweist. Grün ist manchmal das Untergewand, das unter ihrem Kleid hervorlugt, und steht für die Hoffnung auf das Paradies und das ewige Leben. Manchmal trägt sie ein weißes Kleid, ein Zeichen der Unschuld und Vollkommenheit, das man kaum erklären muss.

In der Bibel wird Maria selten erwähnt, am häufigsten erzählt der Evangelist Lukas von ihr, in dessen Bericht man auch die ausführliche Schilderung der Weihnachtsgeschichte findet. Interessanterweise gilt Lukas in der Überlieferung als Arzt und als Schutzpatron auch für die Kunstmaler. Einige frühe Kirchenschreiber erzählen, wie ihn Mitbrüder gebeten hatten, ein Bild der Jungfrau zu malen; ein Sujet, das man vor allem auf mittelalterlichen Darstellungen findet. Ob Lukas für den Marienmantel auch jenes kostbare Blau aus Lapislazuli verwendet hat wie seine späteren Kollegen, davon wird nicht berichtet. Als wahrer Künstler hätte er ganz sicher die Intensität des zerstoßenen Minerals zu schätzen gewusst, das so teuer war, dass manche Auftraggeber vor dem Malen genau festlegten, wie viel davon verwendet werden durfte.

Durch alle Jahrhunderte hindurch blieben die Attribute für die Darstellung Marias gleich. Auch auf diesem Bild des Malers Karl Begas, das in der Gemäldegalerie von Schloss Charlottenburg hängt, leuchtet der Dreiklang von rot, grün und blau unter dem sanften Gesicht der Mutter, die mit einer schützenden Geste ihr Kind hält – nicht umsonst eines der anrührendsten Motive der abendländischen Kunst.

Frohe Weihnachten!

23

23

Heute schon geschnupft?

Friedrich II. von Preußen hätte bei dieser Frage wahrscheinlich irritiert über die Schulter geblickt, um nach dem nächstliegenden Tabaksdöschen zu suchen. Sie waren überall dort verteilt, wo er sich gerade aufhielt. Für den Fall des Falles hatte er stets eins in der Tasche, denn er schnupfte immer und überall. Tabakspfeifen dagegen fand er widerlich, sie erinnerten ihn an seinen Vater und dessen ausführliche Sitzungen im „Tabakkollegium“: der Rauch dort war oft dick wie Nebel und stank furchtbar.
Nein, Friedrich schnupfte, und zwar nicht irgendwas, sondern spanischen Tabak, den man wochenlang in besondere Flüssigkeiten einlegte, um das Aroma zu verfeinern. Es mag dem Bild vom knausrigen Preußenkönigs widersprechen, aber was Tafelfreuden, guten Tabak oder Ausgaben für Musik und Kunst anging, war dem König nichts zu teuer. Rechnungsbücher zeigen, dass er sich die Lust auf eine Pastete aus Paris auch 60 Reichstaler und die Expresspost kosten ließ. Andererseits war es ihm höchst gleichgültig, wenn er auf ausgelatschten Schuhen und in zerknülltem Allerlei durchs Palais schlurfte.

Es liegt auf der Hand, dass nicht nur der beliebte Schnupftabak, sondern auch die Tabatièren genannten Döschen hoch in Mode, ein Muss und Statussymbol waren: je kostbarer gearbeitet, desto bedeutender der Träger. Man darf sich die kleinen Schmuckstücke nicht wie gewöhnliche Behältnisse vorstellen, auch wenn sie neben Tabak für Bonbons, Pillen oder die modischen Schönheitspflästerchen genutzt wurden. Meist aus Gold und mit Steinen besetzt, waren sie oft mit Miniaturen bemalt und wenn sie verschenkt wurden, ließ sie der Geber gerne mit seinem Porträt verzieren.
Praktisch, wie Friedrich II. war, hatte er mit seiner Thronbesteigung übrigens alle Importe aus den berühmten französischen Manufakturen verboten; er importierte lieber die Goldschmiede. Seine eigenen Tabatièren kosteten zwischen 4.000 und 12.000 Talern. Der Fechtmeister, der die Pagen unterrichtete, erhielt 12 Taler im Monat. Ob je eine Tabaksdose dabei war, davon wird nicht berichtet.

22

22

Der Hunnenhut

Mindestens 150 Jahre lang war er das Synonym für den unsympathischen Deutschen, vorrangig den in Uniform: der Helm mit Spitze, wie er eigentlich hieß, oder die Pickelhaube, die der Volksmund daraus machte.
Nachdem er 1842 im preußischen Heer eingeführt worden war, machte sich wenig später Heinrich Heine in seinem Versepos „Deutschland. Ein Wintermärchen“ darüber lustig und prophezeite Schwierigkeiten in Blitz und Donner. Dabei war das gute Stück eine wirkliche Innovation, denn mit fortgeschrittener Kriegstechnik waren die bis dahin verwendeten Tschakos kein wirklicher Schutz für den Soldatenkopf mehr, vor allem sog sich der Filz, aus dem sie gefertigt wurden, bei nassem Wetter mit Wasser voll und vervielfachte das Gewicht.

Friedrich Wilhelm IV., in dessen Regierungszeit die neue Kopfbedeckung eingeführt wurde, soll anlässlich eines Besuchs beim russischen Zaren das Modell dieses Helms gesehen haben und sofort begeistert gewesen sein. Historiker verweisen diese Geschichte ins Reich der Mythen und sehen als den Erfinder eher seinen Cousin, den General Friedrich von Preußen, der zusammen mit einer Metallfabrik aus dem rheinischen Elberfeld den Prototyp entwickelt hatte. Wie dem auch sei: der Helm mit Spitze erwies sich als erfolgreich bei der Abwehr von Säbeln und ähnlichen Waffen und wurde später für die verschiedenen Truppenteile angepasst. Die Spitze war abschraubbar und konnte bei Paraden durch Büschel aus Roß- oder Büffelhaar ersetzt werden.
Auf Schlachtengemälden, Karikaturen und in satirischen Filmen verpasste man den deutschen Soldaten zur Erkennung gerne diesen Helm, was an sich nicht falsch war, denn ihn trugen nicht nur die Preußen, sondern am Ende sogar die Polizei. Im ersten Weltkrieg wurden zuerst die Spitzen abgeschraubt und bald darauf die Haube durch den Stahlhelm ersetzt. Kaiser Wilhelm II., dessen Helm hier abgebildet ist, trug ihn bis zum Ende gern und auf Hindeburgs greisem Haupt hatte er in der Potsdamer Garnisonkirche noch einen letzten, unguten Auftritt.

21

21

Die Liebe zum Blumentopf

Die Beziehung zwischen Mensch und Pflanze sind so alt, dass man gar nicht belegen kann, wann wer begonnen hat, sie in Gefäßen zu ziehen. Auf Wandmalereien der alten Ägypter sieht man vielerlei Töpfe und mit Blumen gefüllte Schalen und Vasen, sogar Kübelpflanzen tauchen als Hieroglyphen gezeichnet auf. Eines der sieben Weltwunder waren die hängenden Gärten der Semiramis mit ihren Dach- und Terrassengärten und auch die Griechen und Römer hatten ihre Vorlieben: die einen füllten Bleigefäße mit Erde und Pflanzen und stellten sie in die Innenhalle ihrer Häuser, die anderen wählten dafür statt der Bleigefäße lieber Steintöpfe und zogen sogar schon einzelne Gehölze in Kübeln. Aber auch in China und Japan waren Topfkulturen beliebt. Deren porzellanene Varianten kamen später nach Europa und wurden begeistert gekauft.

Im Mittelalter sah man Blumen eher als Symbol, das Paradiesgärtlein war nicht nur ein Ruheplatz für die Jungfrau Maria, sondern wurde auch bald an die Decken der Kirchen gepinselt. Man kann aber getrost davon ausgehen, dass so manche Hausfrau im Winter Tontöpfe mit Kräutern zur Hand hatte.

Mit der Ausbreitung der Gartenkunst in der Renaissance wurden Töpfe und Kübel auch in Mittel- und Nordeuropa populärer. Man hatte sein Gelbveigelein, so hieß der damals sehr beliebte Goldlack, im Topf am Fenster stehen, aber auch Lorbeer, Rosmarin und Myrte, die mit den Apotheker- und Klostergärten unter die Leute kamen, wurden in Gefäßen gezogen.

Richtig ins Geschäft mit Topf und Kübel kam man seit dem Aufkommen von Orangerien und barocken Gartenanlagen. Hier wurden Unmengen benötigt und bestimmte Formentypen, je nach Garten, Geldbeutel und Mode, in allen erdenklichen Varianten hergestellt. Der hier abgebildete prächtige Pflanzkübel ist aus Gusseisen gefertigt, auf das goldenen Frauenmasken appliziert sind, eine Variante typisch für französischen Barock. Er ziert mit acht anderen Exemplaren das Parterre im Schlossgarten von Charlottenburg.

20

20

Was Kronen erzählen

Sie waren schon immer eine bedrohte Spezies, wurden umgearbeitet, verliehen, zerteilt oder geraubt. In Kriegszeiten nahm man die kostbaren Stücke mit, wie es Friedrich Wilhelm III. tat, als er vor Napoleon nach Königsberg floh.

Bevor der erste preußische König sich 1701 selbst krönte, ließ er eine äußerst kostbare Krone anfertigen, aus purem Gold und mit 153 Diamanten, 28 Brillanten und 56 Perlen besetzt. Vielleicht hatte sich die Schatzkammer damit verausgabt, denn den Besatz für die Krone seiner Frau Sophie Charlotte musste sich Friedrich vom Hofjuwelier Jost Liebmann leihweise beschaffen lassen. Alles wurde später auch ordentlich zurückgegeben und der Oberzeremonienmeister Johann von Besser beschrieb begeistert, wie die Diamanten auf den schwarzen Locken der Königin gefunkelt hätten.

Sohn Friedrich Wilhelm, später als Soldatenkönig bekannt, konnte mit solch einem Firlefanz nichts anfangen und ließ ihn zum Glück in der Schatzkammer verstauben. Als er einmal Geld brauchte, verlangte er aber nach einem anderen Stück, zerschnitt es eigenhändig und nahm die Steine ohne jede Erklärung mit.
Dass man heute die ersten preußischen Königskronen nur noch kahl, ohne Zierat und Unterfutter zu sehen bekommt, hat Friedrich II. verschuldet. Der nämlich ließ zu Beginn der schlesischen Kriege den Besatz kurzerhand abnehmen und vorsichtshalber nach Schönhausen zu seiner Frau Elisabeth Christine bringen. Vermutlich war die sonst von ihm sehr vernachlässigte Dame erstaunt und entzückt, dass sie den Schatz ausdrücklich zur freien Verfügung erhielt, denn nach dem Tod des Gatten wollte sie nichts davon wieder hergeben. Schließlich musste man sie zwingen und montierte Besatz und Krone wieder zusammen, um die Insignien wie damals üblich dem hohen Leichnam vorauszutragen. Danach verlor sich die Spur von Steinen und Perlen.
Heute präsentieren sich Zepter, Reichsschwerter, Siegel und Kronen, darunter die hier abgebildete Friedrich Wilhelms IV., hinter Panzerglas in Schloss Charlottenburg.

19

19

Von Kapstadt nach Charlottenburg

Einen langen Weg haben sie hinter sich gehabt, als die ersten Pelargoniensamen in England eintrafen. 1632 blühten die Pflanzen nachweislich in einem dortigen Garten und waren so hübsch anzusehen, dass ihr Siegeszug quer durch Europa nur eine Frage der Zeit war. Ursprünglich beheimatet ist die farbenfrohe Blume bei Kapstadt in Südafrika und auf einem Schiff der Ostindienkompanie hat sie wahrscheinlich die Meere überquert. Am Ende des 18. Jahrhunderts handelte man schon mit mehr als 40 Sorten und bald war sie eine begehrte Pflanze in bürgerlichen Gärten und fürstlichen Orangerien, eignete sie sich doch hervorragend für Kübel und Töpfe.

In Brandenburg fand sie bald einen besonderen Liebhaber. Georg Steiner, 1774 in Potsdam geboren, war ein illegitimer Sohn Friedrich Wilhelms II., der die Mutter schnell mit einem seiner Hofgärtner verheiratete. Bei diesem Stiefvater lernte Georg das Handwerk von Grund auf, ihm wurde aber auch von seinem Vater, der ihn immer gefördert hatte, eine Ausbildung in Kassel ermöglicht, und dessen Nachfolger schickte ihn sogar nach England auf eine Bildungsreise. Nach seiner Rückkehr ernannte ihn dieser Friedrich Wilhelm III. mit erst 27 Jahren zum Nachfolger des bekannten Hofgärtners Johann August Eyserbeck. Steiner, der ein begeisterter Pflanzenjäger war, sammelte über die Jahre mehr als achttausend Topfpflanzen, darunter viele Pelargonien. Zum Glück für die Nachgeborenen hatte er 1804 einen Katalog dieser Schätze im Garten-Magazin des Weimarer Verlegers Bertuch veröffentlicht; die eigentliche Sammlung ist bis in unsere Tage verloren gegangen.

Erst nach einem Vortrag des Gartenhistorikers Clemens Alexander Wimmer kam im Jahr 2003 die Idee auf, die Pelargonien nach Charlottenburg zurückzuholen. Heute werden sie in der dortigen Schlossgärtnerei wieder gezogen und haben sogar ein Gewächshaus für sich allein. Dass viele sie immer noch mit Geranien verwechseln, darüber sieht die Gärtnerschaft freundlich hinweg. Immerhin gehören sie beide zur gleichen Familie.

18

18

Geheimnisse der Silberkammer

Die Knappheit an goldenen Tellern, die einst das Leben von Dornröschen fast im Disaster hätte enden lassen, wäre den Hohenzollern nicht passiert. Zwölf Teller vom Prunkgeschirr und mehr war nicht zu finden? Nicht bei Preußens! In solch einem Fall wurde sofort der Silberkämmerer herbeizitiert, der das bekannte Prozedere umgehend in Gang gesetzt hätte.
Die Silberkammer war ein bedeutsamer Ort, denn hier lag, unter anderem, der Schatz des Herrscherhauses, darunter die Prunkgeschirre für besondere und ganz besondere Gelegenheiten. Sie waren nicht nur aus Silber gefertigt, je nach Mode und Anlass wurden auch goldene oder vergoldete Objekte geordert. Schaustücke wie die kostbaren schweren Tafelaufsätze wurden bevorzugt bei den versierten Silberschmieden in Augsburg bestellt, aber auch Kristall und Porzellanservices warteten auf den Einsatz, um bei großen Empfängen das Publikum in Erstaunen zu versetzen und den Reichtum der Gastgeber zu zeigen.

Bleiben wir aber beim Silberkämmerer. Der hatte mittlerweile den Silberdiener herbeizitiert und nach dem Journal geschickt, in dem die für die Tafel benötigten Teile vom Silberschreiber aufgelistet und die Eintragungen nach Eingang wieder gelöscht wurden. Der Überblick war nötig, denn nicht selten passierte es, dass nach einer ausführlichen Gasterei Löffel und Becher fehlten oder etwas zu reparieren war. Das Polieren übernahm mit den Silberwäschern selbstverständlich minderes Personal. Glänzte alles ordentlich, wurde unter der Aufsicht der Silberdiener von Silberlakaien und Silbergehilfen die Tafel gedeckt und die Leuchter mit Kerzen bestückt. Fertig! Selbst die fünfunddreißigste Fee hätte keinen Grund für einen bösen Zauber gefunden.

War allerdings die Kasse leer oder ein Krieg zu finanzieren, wurde rücksichtslos eingeschmolzen, was in der Kammer stand. Man konnte, ging alles gut, neu kaufen oder sich zu hohen Anlässen fürstlich beschenken lassen. Dass dadurch viele künstlerisch wertvolle Objekte verloren gingen, hat damals leider niemanden bekümmert.

17

17

Alles aus Gips

Ein bisschen den Spandauer Damm hinunter, in Blickweite zum Charlottenburger Schloss, beherbergt ein Backsteingebäude die älteste Einrichtung der Staatlichen Museen: die Gipsformerei. Mittlerweile über 200 Jahre alt, war sie eine von vielen Gründungen, mit denen nach der langen Franzosenzeit Industrie und Künste in Preußen wieder zu neuem Leben verholfen werden sollte.

Seit der Antike war der Gipsabguss bekannt und als im 18. Jahrhundert die Archäologie professioneller zu graben begann, wurden Gipsabdrücke oft schon vor Ort genommen. Bewunderer, die nicht das Glück hatten, das Original zu besitzen, konnten sich so mit einem Abguss trösten. Schließlich ersetzten sie auch geraubte Kunstwerke, die der in dieser Beziehung gründliche Napoleon aus Berlin mit nach Frankreich nahm.
Das aber war nun vorbei und Friedrich Wilhelm III. gedachte mit der neuen Gipsformerei viel Geld zu verdienen. Außerdem sollte durch die Einrichtung von Abguss-Sammlungen die Bevölkerung gebildet und ihr Geschmack verbessert werden. So wurde denn 1816 der Bildhauer Christian Daniel Rauch, der sich oft in Italien aufhielt, mit der Sichtung dort vorhandener antiker Skulpturen beauftragt. Der praktische Rauch schickte nicht nur Abgüsse, sondern brachte auch hervorragend ausgebildete Marmorarbeiter und Gipsformer aus Carrara nach Berlin.

Was in Rauchs Werkstatt begann, wurde schnell größer und man lieferte nicht nur an Museen, sondern auch an Kunstakademien und private Käufer. Seit 1891 befinden sich Sammlung und Fertigung im Haus auf der Sophie-Charlotten-Straße und haben sogar den Krieg unversehrt überstanden. Mehr noch, einige hundert der über 7.000 Formen sind das einzige, was von Kriegsverlusten übrig geblieben ist. Das gilt übrigens auch für die Quadriga vom Brandenburger Tor. Die wurde bis auf einen Pferdekopf zerstört und konnte nur mit Hilfe des Charlottenburger Abgusses originalgetreu wieder hergestellt werden.

16

16

„Amara miscet dulcibus – Gott mischt Bitteres mit Süßem“

Das hatte der Große Kurfürst auf die Medaille schreiben lassen, die an die Nottaufe seines dritten Sohnes erinnern sollte. Als hätte der schlechte Start nicht genügt, ließ wenig später die Hebamme den Säugling so ungeschickt fallen, dass er fürs Leben gezeichnet war und von den frechen Berlinern den nicht gerade schmeichelnden Spitznamen „Schiefer Fritz“ bekam.

Es machte die Sache nicht besser, dass der vom Vater bevorzugte ältere Bruder starb und der ungeliebte Fritz zum Nachfolger wurde. Später verkomplizierte das finale Testament des Vaters die Lage, denn das Land sollte unter alle Söhne, auch die aus der zweiten Ehe geteilt werden: eine Katastrophe mit Ansage für den neuen Kurfürsten wie für Brandenburg, das seinen Rang unter den deutschen Staaten verloren hätte. Kurzentschlossen annullierte Friedrich das Vermächtnis, zahlte nach langem Verhandeln die Brüder aus und konnte endlich mit der Umgestaltung des Landes nach seinen Ideen beginnen.

Er fing an zu bauen, vor allem in Berlin, das er zu einer repräsentativen Hauptstadt machen wollte. Ganz oben auf der Liste stand die Erneuerung der nicht mehr funktionablen Langen Brücke, auf die ein großes Reiterstandbild platziert werden sollte. Aus den Aufzeichnungen des Hofbibliothekars Lorenz Beger wissen wir, dass Friedrich sich selbst abzubilden gedachte und mit dem Entwurf den Bildhauer Andreas Schlüter schon beauftragt hatte. Doch die Familie war nicht begeistert und verwies auf die unvorteilhafte Figur, die er auf einem Pferde machen würde. Es kam, was kommen musste und so ritt seit 1701 statt des Sohnes der kriegerische Vater über die Spree, das Schloss fest im Blick. Durch Krieg und die Teilung Berlins muss er sich heute mit dem Charlottenburger Schlossplatz begnügen. Der schiefe Fritz aber hatte noch etwas in petto, was dem Vater nie eingefallen war: er wurde erster preußischer König.

15

15

Ein Meister auch der kleinen Form

Natürlich ist das Genie aus Neuruppin in der Hauptsache für seine Bauwerke bekannt. Von Jugend an hat er sich aber auch für Malerei, Innenarchitektur und das Entwerfen von Möbeln und Porzellan interessiert.
Als mit der Niederlage gegen Napoleon und der französischen Besetzung Preußens eine Zeit kam, in der Bautätigkeit und Aufträge erheblich zurückgingen, widmete sich Schinkel verstärkt der Malerei. Durch Vermittlung seines Freundes Wilhelm von Humboldt bekam er eine Anstellung in der Oberbauverwaltung und als noch recht unbekannter Architekt den Auftrag, Interieurs für Königin Luise zu entwerfen, darunter die weit berühmte Musselinbespannung ihres Schlafzimmers. Schon hier griff er auf eine antike Formensprache zurück und verzierte Bett und Kleinmöbel mit Voluten und Girlanden, zwei Blumentischchen zitieren gar die Form eines römischen Altars.
Auch später entwarf er für königliche Schlösser und Landsitze Inneneinrichtung und Möbel, die er gern vom mit ihm befreundeten Hoftischler Karl Wanschaff fertigen ließ. Als er mit dem Bau eines Sommerhauses im Charlottenburger Park beauftragt wurde, arbeitete er wieder mit Wanschaff zusammen.

Währenddessen nahm der Übergang vom Manufakturwesen zur industriellen Fertigung auch in Preußen an Fahrt auf und der Gründer des Berliner Gewerbeinstituts Peter Beuth kam auf die Idee, zusammen mit Schinkel Musterbücher für Handwerker und Fabrikanten herauszugeben. Hier fanden die Hersteller Verzierungsvorschläge für alles, vom Blumentopf bis zur Dampfmaschine, nach klassizistischer Manier und antiker Form. So hielten Schinkels Vorstellungen und Entwürfe sowohl im Kunsthandwerk als auch der preiswerten Massenproduktion Einzug. Seine Gartenmöbel aus Eisenguss werden heute als Replikate wieder hergestellt, kunstvolle Möbel nach seinen Entwürfen auf Antikmessen angeboten und die kostbaren Originale wie den hier abgebildeten Stuhl findet man ausgestellt auch in Charlottenburg.

14

14

Einzige Luise, wunderbare.

„Dein Haupt scheint wie von Strahlen mir umschimmert,
Du bist der Stern, der voller Pracht erst flimmert,
wenn er durch finstre Wetterwolken bricht!“

Diese Verse aus einem Sonett, das Heinrich von Kleist der Königin zu ihrem vierunddreißigsten Geburtstag vortragen durfte, könnten auch auf ihrem Epitaph stehen. Als sie ein paar Monate später wahrscheinlich an einem Lungentumor starb, stürzte das nicht nur ihren Ehemann und die gemeinsamen Kinder, sondern das ganze Land in Trauer und Schock. Luise, die Anmutige, Herzliche, der man sich auch als einfacher Preuße nähern konnte. Das Muster einer Frau und Mutter, fürsorglich, liebevoll und ihren Pflichten hingegeben – aber das gehört schon zum Kult, der sich später um sie entspann, je nach Zeitgeist und politischen Zielen.

Jenseits von preußischer Madonna und heute so gern gemaltem It-Girl findet man die Königin authentischer in ihren Briefen, informellen Porträts und den von ihr bewohnten Räumen. Ihre Unkonventionalität, die den Hof so schockierte, sahen manche als eine tiefsitzende Aversion gegen die Anstrengung von Etikette und standesgemäßem Verhalten. Sie duzte ihren Mann, las ihren Kindern vor und verhielt sich so bürgerlich, dass sie in der Sommerfrische von Paretz sogar, horribile dictu, mit dem Gatten im gemeinsamen Bett schlief. Begründet lag all das auch in der für eine dynastische Heirat ungewöhnlich liebevollen Ehe mit einem Mann, den erst ihre Zuneigung und unbekümmerte Lebenslust aus seiner Melancholie und Unentschiedenheit holte. Als sie starb, brach für ihn die Welt zusammen. Wenige Tage später bestimmte er, dass nicht die Hohenzollerngruft, sondern ein lichtes Mausoleum im Park von Luises Lieblingsresidenz zur letzten Ruhestätte werden sollte. Hier liegt sie nun, marmorbleich schlafend, die Königin der preußischen Herzen.

13

13

Wider die Symmetrie

„Bye bye Buchsbaum“ hatte Johann August Eyserbeck sicher nicht vor sich hingepfiffen, als er 1788 zum Schlossgärtner und nach Charlottenburg berufen wurde. Aber es war klar, dass der Sohn des Wörlitzer Hofgärtners sich dort nicht mehr um frisch gezirkelte Rabatten und gut ausgestreute Kieswege kümmern sollte. Ein neuer Geist wehte durch Berlin und der sprach nicht französisch, sondern deutsch. Mit dem neuen Zeitgeist war die französische Komödie so perdu wie eine überladene Rokokokommode und die preußische Hauptstadt stand ganz im Zeichen der deutschen Klassik. Die neuen Helden hießen Schadow und Langhans, Schiller und Goethe, Hiller und Reichardt.

Den König verlangte es nach einer Neugestaltung des Schlossgartens, voll Romantik, Natur und ein bisschen auch in Konkurrenz zu Wörlitz, wofür Eyserbeck ebenso die Expertise hatte wie Johann Peter Lenné, der dreißig Jahre später seine Nachfolge antrat. Unter ihrer Regie verwandelte sich die Barockanlage bis in die Mitte des nächsten Jahrhunderts in einen 55 Hektar großen Landschaftsgarten; pure Natur, die durch aufmerksame Arbeit entstand und gepflegt werden wollte: bloß keine Symmetrie mehr, dafür gewundene Pfade, Hügel und kleine Seen, in die sich eine Insel schmiegte.

Dem Spaziergänger bot der Weg nach dieser Wendung und jener Kehre einen überraschenden Blick oder ein lauschiges Plätzchen zum kurzen Verweilen. Sophie Charlottes Hafenbecken war schon längst zu einem Teich versandet, in dem nicht nur die alten Karpfen schwammen, von denen Fontane berichtet. Man pflanzte Gehölze ans Ufer, legte Wiesen an, die nur selten gemäht wurden, und setzte Büsche, die den Wandel der Jahreszeiten durch ihre Blüten und Früchte anzeigten.
Dass heute so bemerkenswerte Solitäre wie die hier abgebildete Sumpfzypresse, Amberbaum oder Flatterulme im Park stehen, ist weitestgehend Lenné zu verdanken, der einmal gestand, dass er in seiner Jugend viel lieber Botaniker geworden wäre. Zum Glück und Wohl Berlins ist es dann doch anders gekommen.

12

12

Silber und Holz, lackiert

Ein Teeservice aus Silber, im deutschen Art Déco? Das kann doch nur Bauhaus sein! Nur wird als Designer Karl Heubler ausgewiesen und wenn man sich später beliest, stellt man fest, dass Heubler an einer ganz anderen Schule unterrichtet und gearbeitet hat: nicht in Dessau, sondern in Berlin-Schöneberg. Aber wer, außer Liebhabern und Spezialisten, kennt noch die Schule Reimann? Dabei war sie, 1902 vom Kunsthandwerker, Bildhauer und pädagogischem Allrounder Albert Reimann gegründet, bald für ihre avantgardistischen Objekte bekannt. Über die Ausbildung tausender Kunsthandwerker, Künstler und Designer wurden die Ideen von Bauhaus und Deutschem Werkbund in den Alltag der Bevölkerung implantiert; ihre Produkte wirkten stilbildend auf eine ganze Generation.

Die als Schülerwerkstatt für Kleinplastik gegründete Einrichtung tat sich bald mit der Fachschule für Dekorationskunst zusammen, gründete Klassen für Plakatkunst, Bühnenbild und Werbung und eröffnete schließlich sogar eine Filmabteilung. Zwischen 1902 und 1943 wurden in den Klassen und Werkstätten über 15.000 Schüler ausgebildet. Das Ende kam wie oft in dieser Zeit mit der Machtergreifung der Nazis. Der jüdische Reimann musste emigrieren und zehn Jahre später wurden die Schulgebäude durch einen Bombenangriff zerstört.

Aber zurück zum Teeservice. Das wird neben anderen Metallobjekten aus der Reimann-Schule im Bröhan-Museum gezeigt, das sich heute in einem Nebengebäude von Schloss Charlottenburg befindet. Karl Bröhan, Unternehmer und exzessiver Kunstsammler, hatte sein Sammelinteresse auf das Kunsthandwerk des Jugendstil fokussiert und später um Art Déco, Funktionalismus und Gemälde der Berliner Secession erweitert. Die Sammlung, die er 1981 dem Land Berlin schenkte, ist in ihrer Form und Fülle einzigartig und präsentiert ihre Schätze über mehrere Etagen in der ehemaligen Kaserne der königlichen Leibgarde an der Charlottenburger Schlossstraße.

11

11

Alle Wege führen nach …

Rom, sagt der alte Spruch, und sie trafen sich auf dem Forum Romanum. Dort stand das Milliarium Aureum, der goldene Meilenstein: eine Bronzesäule, die auf Befehl des Kaisers Augustus errichtet wurde und den ideellen Mittelpunkt des Römischen Reichs markierte. Von hier ab gingen die wichtigsten Straßen in alle Provinzen; deren Hauptstädte und die entsprechenden Entfernungen waren mit goldenen Lettern auf der Säule graviert. Man maß die Distanz in tausend Doppelschritten, auf Latein mille passus und 1,5 Kilometer entsprechend. System, Markierungssteine und das Wort Meile hinterließ uns Rom als eins seiner vielen, äußerst praktischen Geschenke.

Mehr als anderthalb Jahrtausende später, als es schon lange einen lebhaften Kurier- und Postverkehr durch Europa gab, wurde die Notwendigkeit nach einheitlichen Entfernungsangaben dringend. Man wollte wissen, wie lange die Fahrt bis zum Bestimmungsort dauerte und wieviel für die Reise oder die Postzustellung zu berappen war. Dazu brauchte es aber einheitliche Maße. Im Osten Deutschlands legte Kursachsen 1722 mit einer Landesresolution fest, dass an Poststraßen Meilensäulen zu errichten seien, auch wurde die Kursächsische Postmeile eingeführt, die einer Wegstunde und rund 9 km entsprach.

Preußen orientierte sich nur wenig später am sächsischem Modell, führte adäquat die Preußische Meile ein und änderte 1840 ebenso das Wegmaß auf 7,5 km. Wie in Rom gab man die Entfernungen ausgehend vom Zentrum der Hauptstadt an; ob sich das am alten Leipziger Tor befand oder doch eher von der Adlersäule am Berliner Stadtschloss markiert wurde, ist nicht ganz sicher. Die schöne Säule mit krönender Goldkugel in der Nähe des Charlottenburger Schlosses soll jedenfalls von Friedrich August Stüler nach einem italienischen Vorbild entworfen sein, was den Kreis auf amüsante Weise schließt.

10

10

Preußens zehnte Muse

Musik, vor allem die italienische, bedeutete der Kurprinzessin viel. Und so ließ Sophie Charlotte ein kleines Operntheater in ihren Schlosspark bauen, übrigens das erste freistehende von Berlin. Musikalisch bis in die Fingerspitzen, sang sie ausgezeichnet, verstand sich aufs Komponieren und saß bei Aufführungen schon mal unter den Musikern – am Cembalo, das sie hervorragend beherrschte.

Einen Tag ohne Kammermusik gab es bei ihr nicht und so ließ ihr Liselotte von der Pfalz, die Lieblingstante in Paris, ein zusammenklappbares Cembalo fertigen, das sie auf Reisen mitnehmen konnte. Nicht umsonst schwärmten Sänger, Primadonnen und Komponisten, die sie an den Hof holte und zu bleiben einlud, von ihr. So sehr, dass der berühmte Arcangelo Corelli, der selbst nie weiter als bis nach Bologna gekommen war, der Königin seine Violinsonaten op. 5 widmete. Ob es stimmt, dass sie den fünfzehnjährigen Georg Friedrich Händel in Berlin hörte und unterstützte, sei dahingestellt; verpasst hätte sie die Gelegenheit sicher nicht.

Legendär wie die Konzerte und französischen Theateraufführungen, in denen auch der Hofstaat dilettierte, waren ihre rauschende Feste, die Sophie Charlotte gern selbst inszenierte. Dennoch oder gerade deswegen klagte sie häufig über mangelnde Geldmittel; im Vergleich zu den Möglichkeiten im einst heimatlichen Hannover, in London oder gar Paris waren die von Berlin eher karg. Aber sie machte das Beste daraus und als sie viel zu früh starb, wurde allein ihre Musikaliensammlung, die leider nicht auf uns gekommen ist, auf den Wert einer Tonne Gold geschätzt.

09

9

Viktorias Lorbeeren

Victoria, der personifizierte Sieg in der römischen Mythologie, war den Kaisern und dem römischen Reich als jungfräuliche Schutzgöttin beigegeben. Jahrtausende später und mit einem Konsonantenwechsel hat es sich die Göttin in Berlin gemütlich gemacht, thront auf dem Brandenburger Tor, verkleidet als Goldelse auf der Siegessäule, und steht in Charlottenburg gleich in mehrfacher Ausführung. Den Lorbeerkranz hat sie als ihr Zeichen immer dabei.

Preußen liebte seine Siege, wie jeder weiß. So traf es sich gut, dass Berlin einen Bildhauer hatte, der sich mit Viktorien auskannte. Christian Daniel Rauch war in den 1820er Jahren mit der Restaurierung zweier antiker Skulpturen der Siegesgöttin befasst und entwickelte danach einen idealisierten Typ, nach dem er u.a. Figuren in der Walhalla bei Regensburg schuf.
In Berlin hatte derweil König Friedrich Wilhelm III. auf der Gewerbeausstellung der dortigen Akademie eine Säule aus rotem Granit gekauft, eine Arbeit des Steinmetzen Christian Gottlieb Cantian, der aus demselben Steinblock die Granitschale im Lustgarten schuf. Die Säule gefiel dem König so gut, dass er eine zweite nachfertigen ließ, sich aber nicht sicher war, wie weiter damit zu verfahren wäre. Karl Friedrich Schinkel, hierzu befragt, schlug eine Ergänzung der Säulen mit korinthischen Kapitellen vor. Vervollkommnet wurde das Ensemble schließlich mit zwei Viktorien, die unverzüglich bei Rauch bestellt wurden, komplett mit Lorbeerkranz und Palmzweig.
Der König hatte Glück im Unglück, wurden die nun acht Meter hohen Säulen doch nur einen Monat vor seinem Tod im Juni 1840 aufgestellt. Noch heute stehen sie zu beiden Seiten des Wegs hinter dem Charlottenburger Schloss, in der Nähe des Schinkel-Pavillons.

08

8

Von allen guten Geistern verlassen

Nachfolger des großen Friedrich II. zu sein, wäre an sich schon ein schwieriges Unterfangen gewesen. Als Sohn von dessen ältestem, ihm sehr verhassten Bruder hatte Friedrich Wilhelm II. von Anbeginn schlechte Karten. Zwar ließ ihm der Onkel eine breitgefächerte Erziehung angedeihen, aber sie zwängte schon das Kind ein und ließ, was schlimmer war, die Unterweisung in Politik und Regierungsgeschäfte aus. Der alte König wollte wohl von vornherein verhindern, dass der Neffe ihn überstrahlen könnte.

Unfähig, allein zu regieren, war Friedrich Wilhelm nach der Krönung auf einen Beraterstab angewiesen, dem zu allem Überfluss zwei Rosenkreuzer angehörten. Dieser esoterisch ausgerichtete Orden verband christliche und antike mit einer Aufklärungsmystik zu einer wilden Melange, der der liebenswürdige und musisch begabte, aber schwache junge König schnell zum Opfer fiel. Ohnehin begeistert von Spiritisterei und Okkultismus, trat Friedrich Wilhelm II. nicht nur den Rosenkreuzern bei, sondern traf sich mit seinen engsten Beratern im kleinen Belvedere-Schlösschen zu einer Séance nach der anderen.

Immer wieder spielten ihm die beiden Ordensritter mit Hohlspiegeln und in Nebenräumen versteckten Bauchrednern Erscheinungen berühmter Toter vor, von Marc Aurel bis zum Großen Kurfürsten. Friedrich Wilhelms Geliebte, die Gräfin von Lichtenau, glaubte dem Zauber nicht und sollte nicht nur deswegen von ihm getrennt werden. Zeitgenossen beschreiben eine grausame Séance, in der der verängstigte Mann allein in einem Zimmer saß, von verzerrten Schatten genarrt und den schaurigen Klängen einer Glasharmonika gequält wurde. Heraufbeschworene Geister mahnten ihn und riefen Strafen auf ihn herab, wenn er Wilhelmine nicht aufgäbe. Verstört und in Todesangst rief er nach Beistand, aber man ließ ihn schmoren, bis er endlich, völlig erschöpft, hinausgeführt wurde. Die Geliebte gab er auf, blieb aber mit ihr befreundet. Ins Belvedere soll er nie mehr zurückgekehrt sein.

07

7

Anfänge

Werke von Käthe Kollwitz hängen in vielen Museen der Welt, es gibt Ausstellungsstätten, die nur ihr gewidmet sind und die in manchen Fällen mit wichtigen Stationen ihres Lebens zusammenfallen. Eins ist das Museum im Charlottenburger Schloss in Berlin, der Stadt, in der sie die meiste Zeit ihres Lebens verbrachte, ein anderes das im sächsischen Moritzburg, wo sie nach der Evakuierung im zweiten Weltkrieg ausharrte und kurz vor Kriegsende starb. In Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, wo sie geboren wurde und das für 24 Jahre ihr Ankerpunkt war, gibt es keins. Dabei sind viele Motive ihrer Werke schon hier angelegt.

Der mütterliche Großvater gehörte einer Freikirche an, der Vater war Jurist, fand aber wegen seiner sozialistischen Überzeugungen in Preußen keine Anstellung und wurde statt dessen Maurer. Die Mutter hatte ihre ersten beiden Kinder verloren und der Tod des jüngsten Bruders war für Käthe eine prägende Erfahrung. Auf Streifzügen durch die alte Stadt verliebte sich das Mädchen in die Gesichter der Schiffer auf dem Pregel und der Leute in den Hafenkneipen und sah, lange vor den Arbeitervierteln Berlins, unter welchen Umständen die Ärmsten der Gesellschaft lebten. In ihrem Tagebuch schrieb sie später, dass es anfangs kein Mitleid war, das sie zu diesen Menschen zog, sondern dass sie hier Schönheit fand, die zu ihr sprach.

Frauen war damals das Studium an einer Kunsthochschule untersagt, der Ausweg waren Privatunterricht und einige wenige sogenannte Damenakademien, Mal- und Zeichenschulen, die Frauen vorbehalten waren. Die Neunzehnjährige besuchte zuerst die Damenakademie des Vereins Berliner Künstlerinnen und studierte danach an einer anderen Schule in München. Aus dieser Zeit datieren ihre ersten bekannten Selbstporträts, aus denen am Ende mehr als hundert wurden und die einen Kontrast und Kontrapunkt zu ihren späteren Arbeiten bildeten, die heute so bekannt sind: mitfühlende, anklagende, unterstützende Porträts derer, die in der Gesellschaft keine Stimme fanden.

06

6

Fer de Berlin – Berliner Eisen

Manche Namen bleiben im historischen Gedächtnis oft nur wegen eines einzigen Satzes, einer kleinen Anekdote erhalten. So erging es auch Prinzessin Marianne aus dem Hause Hessen-Homburg, die mit dem jüngeren Bruder des Preußenkönigs Friedrich-Wilhelm III. verheiratet war. „Gold gab ich für Eisen“ – mit diesem Slogan warb sie 1813 kurz vor Beginn der Befreiungskriege um eine Goldspende patriotischer Frauen, für die Finanzierung des Kampfes gegen Napoleon. Aus dieser Bewegung heraus entwickelte sich die Mode, fein ziselierte, filigrane Ringe, Colliers und Ohrgehänge aus schwarz patiniertem Eisen zu tragen.

Die Herstellung des Schmucks war jedoch nur ein kleiner Nebenzweig des Eisenkunstgusses, der 1784 in Lauchhammer mit dem ersten Guss einer Skulptur eine knapp hundert Jahre andauernde Erfolgsgeschichte in Preußen einleitete. Zwölf Jahre später wurde die Königliche Eisengießerei in Gleiwitz gegründet, 1804 eine zweite in Berlin. Hergestellt wurden von den ersten Dampflokomotiven und Brücken über Brunnen, Denkmäler und Straßenlaternen auch kleinere Gebrauchs- und Schmuckgegenstände wie Ziergefäße nach antiken Vorbildern, Tischschmuck und filigrane Accessoires bürgerlicher Damenbekleidung.

Entwürfe bedeutender Künstler wie Schinkel, Rauch oder Schadow machten das Fer de Berlin in ganz Europa bekannt und begehrt. Die wachsende Zahl konkurrierender Gießeren, vor allem aber das Aufkommen des technisch leichter zu handhabenden Bronzegusses führten nach den 1850er Jahren zum Niedergang der Berliner Eisengießerei, die schließlich 1874 aufgab. Manche Entwürfe haben ihre Beliebtheit seither nicht verloren, so kann man die von Schinkel erdachten klassizistischen Gartenmöbel heute im Nachguss erwerben.

05

5

Teppiche, Felle und heiße Getränke

„Möhte ich verslafen des winters zit!“, klagte schon Walther von der Vogelweide und heimlich werden ihm frierende Burg- und Schlossbewohner über die Jahrhunderte zugestimmt haben. Sicher war es einfacher, ein kleines Herrenhaus als eine fürstliches Residenz zu beheizen, aber im Grunde kämpfte jeder mit den gleichen Problemen. Die Räume waren zu hoch, die Heizgelegenheiten nicht effektiv, der Brennstoff teuer und in den Prunk- und Paraderäumen zog es wie Hechtsuppe.

Was also tun im kalten Palais? Die vielen Kamine waren schön und dekorativ im Aussehen, aber eingeschränkt in der Wirkung: von vorn geröstet, wurde es im Rücken eisig. Hochlehnige Stühle halfen ein bisschen, mehr aber die verschiedensten Kaminschirme, schön bestickte Textilien, eingespannt zwischen Holz- oder gußeisernen Rahmen. Hatte man die Wahl, nahm man dreiflügelige, die der Fröstler um sich drapierte wie einen Paravent.

Natürlich gab es auch Öfen, oft so gebaut, dass sie von einem Nebengelass zu befeuern waren. Das wärmte nebenbei die Wand, an die sich der Kavalier lässig zu lehnen wusste. Aber nicht überall konnte man sie nachrüsten und oft hätten sie die Architektur verschandelt. Holzverkleidungen, textile Wandbespannungen, Gobelins und Teppiche dagegen waren kostbar bis ansehnlich und leichter auszutauschen. Pelzgefütterte Hausmäntel, wattierte Überwürfe und Unterröcke, Mützen, Handschuhe und die kupferne Wärmflasche fürs Bett waren die einfachen Dinge, um der Kälte zu trotzen; ein Schlückchen heißer Würzwein oder Schokolade wärmte von innen. Und wenn die Kälte doch zu stark durch die immer undichten Glasscheiben drang, widmete man das Schloss zum Sommerpalais um und zog in die besser ausgestattete Winterresidenz.

04

4

Alle Vöglein sind schon da

Nun, nicht alle. Aber englische Vogelfreunde würden in Charlottenburg genauso glücklich werden wie der einheimische Spaziergänger, der unverhofft auf Habicht, Specht, Bussard oder Waldkauz stößt. Viele Arten leben im Park, sind auf der Durchreise, zu Besuch oder brüten hier. Mit viel Glück sieht man auch den schnellen Zaunkönig oder das winzige Wintergoldhähnchen, das nicht einmal zehn Zentimeter groß wird und wie ein schmucksüchtiger Punk einen goldenen Scheitelstreifen trägt.

Auch Wasservögel sind präsent, Schwäne, verschiedene Entenarten, selbst Exoten wie die Mandarinenten, die sich aus dem Zoologischen Garten hierher verirrt und die neue Umgebung als angemessen befunden haben. Typisch für den Park sind Graureiher, gravitätisch skurrile Vögel, die sich gern auf Bäumen niederlassen, das Publikum nicht scheuen und ausgesprochen interessiert an den Fischen im Karpfenteich sind, den sie sich allerdings mit einigen Bibern teilen müssen. An manchen Wegen trifft man Eichhörnchen und rings ums Belvedere bis in den Herbst hinein Gotlandschafe, die als natürliche Rasenmäher engagiert sind.

Das alles macht die Charlottenburger Anlage so interessant: 55 Hektar, auf denen sich mehr als 50 verschiedene Biotope und neben den vielen Tier- auch hunderte Pflanzenarten finden lassen. Ein Paradies, das die Berliner vor allem Johann August Eyserbeck und Peter Joseph Lenné zu verdanken haben, die den Schlossgarten seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert peu à peu in einen Landschaftspark nach englischem Vorbild umgewandelt haben.

03

3

Zerbrechliche Schönheiten

Die erste Erwähnung von Porzellan stammt aus chinesischen Quellen des siebten Jahrhunderts, aber erst mit Marco Polo kam eine genaue Beschreibung des exotischen Materials nach Europa. Risikofreudige Händler wie der Venezianer brachten seit dem 14. Jahrhundert die ersten Stücke nach Europa, die gerade wegen ihrer Seltenheit und Fragilität kostbar und gefragt waren und in fürstliche Kunstkammern wanderten.

Drei Jahrhunderte und neue Handelsrouten später war Porzellan immer noch ein Luxusgut, aber in so großen Mengen eingeführt, dass man es auch benutzen konnte. Die aufkommende Mode der Chinoiserie und neue Genüsse wie Kaffee, Tee und Schokolade taten ein übriges und so fanden sich große Deckelvasen und Figurinen in den Kabinetten und feines Geschirr auf den Tischen der zahlungskräftigen Kundschaft.

Fürsten wie August den Starken befiel die teure Porzellankrankheit, so dass sie kauften und tauschten, was die Kasse hergab. Auch Sophie Charlotte hatte sich ein kleines Kabinett einrichten lassen, ein erhaltenes Inventarbuch aus dem Jahr 1705 verzeichnet mehr als vierhundert Porzellanobjekte. Das von Eosander gebaute große Kabinett wurde aber erst ein Jahr nach ihrem Tod vollendet und entsprach in seiner festgefügten Grandiosität eher dem Repräsentationsbedürfnis ihres Mannes.

Der nannte bald die größte Porzellansammlung unter den deutschen Reichsfürsten sein Eigen, aber schon sein Nachfolger Friedrich Wilhelm I. kam mit dem sächsischen König ins Geschäft: einige Vasen, Becher und Orangentöpfe gingen für 600 Dragoner nach Dresden. Ein historisch betrachtet ausgesprochen schlechter Tausch, der den Sachsen spätestens mit Sophie Charlottes Enkel und dem Siebenjährigen Krieg teuer zu stehen kam.

02

2

Gärtnerin mit Leidenschaft

Ob es dem Schloss in Caputh, das Charlotte ihrem Mann als ungeeignet zurückgab, an Gartenland mangelte, wissen wir nicht. Das Gut Lietze am Spreebogen, das sie schließlich erbat, hatte genügend Potential für eine Anlage, wie sie sie aus dem heimatlichen Schloss in Herrenhausen kannte. Mit ihrer Mutter, die sich durch das Gärtnern über manche Unbill in ihrer Ehe hinweghalf, war Sophie Charlotte in den Niederlanden gewesen und hatte die dortigen Gärten wie später die großartigen Anlagen in Versailles besucht.

Dank ihrer Patentante Liselotte, der Schwägerin Ludwig XIV., konnte sie sich des kompetenten Gartenarchitekten und Le-Nôtre-Schülers Simon Godeau versichern, der gegen ein fürstliches Salär an die Spree kam und anstelle der hier üblichen holländischen den ersten deutschen Schmuckgarten im französischen Stil anlegte. Die beeindruckende Anlage umfasste ein Broderieparterre mit großem Bassin, flankiert von mehrreihigen Baumalleen und Bosketten. Die kunstvoll geschwungenen Ornamente aus mehrfarbigem Kies und mit Buchsbaum eingefassten Rasenflächen führten hinunter zum Wasser, wo die Lustjachten anlegen konnten, auf denen Besucher aus Berlin nach Lützenburg kamen.

Westlich vom Schloss wurde ein Blumengarten angelegt und den hier abgebildeten Kohlkopf hat es mit anderen Früchten, Kräutern und Gemüsen sicher im etwas abgelegenen Küchengarten gegeben. Nach 1705 plante Godeau eine Orangerie und noch einmal hundert Jahre später entstand ein Nutzgarten mit Pflaumenbäumen, Wein- und Maulbeerspalieren. Den Barockgarten hat man nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wieder seinem ursprünglichen Aussehen angepasst und der Besucher kann durch die Rabatten flanieren, wie es die Königin so gern mit ihren Freunden getan hat.

01

1

La Serena – die Heitere

An einem Oktobersonntag im Jahr 1684 konnte sich Fortuna für ein Stündchen zufrieden zurücklehnen: Der Ehevertrag zwischen Brandenburgs Kurprinzen Friedrich und Sophie Charlotte von Hannover war unterzeichnet und als am nächsten Tag im Herrenhausener Schloss die Sonne aufging, schien Berlin demnächst auf einem besseren Weg.

Die neue Frau des Kurprinzen war fast sechzehn, mit schwarzen Locken, blauen Augen und weißer Haut schön wie Schneewittchen, begabt, gewitzt und vielseitig interessiert. Auf eine bemerkenswert breite Ausbildung hatte ihre Mutter geachtet, die ihr bis ans Lebensende Vorbild, Einfluss und Anker war. Durch sie lernte Sophie Charlotte Geistesgrößen und Künstler kennen, die sie später an ihren Hof holte. Besonders Leibniz wurde zu einem Freund und Gesprächspartner, der später behauptete, ohne der Kurfürstin Zutun wären einige seiner Werke nie geschrieben worden. Ganz unschuldig an der Gründung der Akademie der Wissenschaften war er auch nicht.

Zuerst musste sie aber lernen, sich am Hof des Schwiegervaters durchzusetzen und die im Vergleich zum heimatlichen Hannover kulturelle Dürre Berlins zu ertragen und zu verändern. Am besten machte sich das mit einer gelegentlichen Distanz, am allerbesten mit einer eigenen, etwas entfernten Residenz. So kam es zum Musenhof in Lietzenburg, das sie ausbaute und nach ihrem Gusto führte, was beide in Europa berühmt machte. Sie konnte sich nicht lange an ihm erfreuen – Fortuna war eine launische Göttin. Als sie, erste Königin in Preußen, mit 36 Jahren starb, wollte der betrübte Leibniz Lietzenburg in Sophiopolis umbenennen. Der trauernde König hatte ein Einsehen mit seinen Berlinern und so heißt das Schloss heute Charlottenburg.